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Zum Thema Arbeitsrecht
"Ich stech’ Dich ab!": Eine massive Bedrohung rechtfertigt die fristlose Kündigung

Mit schweren Straftaten ist das Ende des arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsrechts erreicht.

Im Zusammenhang mit einer Personalratswahl gab es erhebliche Konflikte zwischen einem Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten. Der Vorgesetzte warf dem Mitarbeiter vor, ihn in einem anonymen Telefonat mit den Worten "Ich stech’ Dich ab" bedroht zu haben. Er behauptete, den Anrufer an dessen markanter Stimme erkannt zu haben. Außerdem sei seine Telefonnummer nur wenigen Personen bekannt. Der Arbeitnehmer erhielt daraufhin die Kündigung, gegen die er vorging. Das Arbeitsgericht führte daraufhin eine Beweisaufnahme durch, die keine Zweifel daran ließ, dass der Arbeitnehmer tatsächlich der Anrufer war. Die Kündigung hat es für rechtmäßig erachtet, da aufgrund der ernsthaften und nachhaltigen Bedrohung eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung war sogar eine vorherige Abmahnung entbehrlich.

Hinweis: Massive Bedrohungen und Beleidigungen des Vorgesetzten rechtfertigen in aller Regel eine Kündigung.


Quelle: ArbG Düsseldorf, Urt. v. 15.08.2016 - 7 Ca 415/15
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2016)

 

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Europäischer Gerichtshof bremst vorgetäuschte Bewerbungen zu reinen Klagezwecken

Personen, die lediglich Bewerbungen schreiben, um Entschädigungszahlungen kassieren zu können, werden von den Gerichten nicht unterstützt.

Ein älterer Bewerber, ein als sogenannter AGG-Hopper (AGG = Allgemeines Gleichstellungsgesetz) inzwischen bundesweit bekannter Rechtsanwalt, bewarb sich bei einer Versicherung auf eine als "Trainee" ausgeschriebene Stelle. Die Stellenanzeige forderte unter anderem einen "sehr guten Hochschulabschluss", der "nicht länger als ein Jahr" zurückliege oder "innerhalb der nächsten Monate" erfolge. Auf seine Bewerbung erhielt der Anwalt folglich eine Absage. Daher machte er Ansprüche wegen einer vermeintlichen Diskriminierung geltend. Die Versicherung lud den Rechtsanwalt daraufhin zu einem Bewerbungsgespräch ein und erklärte, die Absage habe auf einem Versehen beruht. Das lehnte der Anwalt ab. Als er jedoch erfuhr, dass die juristischen Trainee-Stellen ausschließlich mit weiblichen Kandidaten besetzt worden waren, machte er weitere Entschädigungsansprüche geltend.

Das Bundesarbeitsgericht hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nun die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob auch derjenige, der sich bei einem potentiellen Arbeitgeber nur deshalb bewirbt, um den Status eines Bewerbers zu erlangen, ebenfalls den Schutz des dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zugrundeliegenden Unionsrechts beanspruchen kann. Der EuGH hat nun entschieden, dass zum einen derjenige nicht den Schutz der Richtlinien zur Antidiskriminierung und Gleichbehandlung von Mann und Frau beanspruchen kann, der keinen Zugang zu einer Beschäftigung begehrt, sondern sich nur auf eine Stelle bewirbt, um auf Grundlage des formalen Status als Bewerber Zugang zu Entschädigungsansprüchen zu erlangen. Zum anderen kann ein solches Verhalten auch nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts rechtsmissbräuchlich sein.

Hinweis: In der Praxis ist es allerdings für Arbeitgeber weiterhin sehr schwierig zu beweisen, dass es sich tatsächlich um eine nicht ernst gemeinte Bewerbung gehandelt hat.


Quelle: EuGH, Urt. v. 28.07.2016 - C-423/15
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2016)

 

Bei adäquater Ersatzleistung: Einzelvereinbarungen können Regelungen zur Betriebsrente außer Kraft setzen

Unter welchen Voraussetzungen einzelne Arbeitnehmer von einer Betriebsrente ausgeschlossen werden können, zeigt dieser Fall.

Ein Arbeitnehmer hatte mit seinem neuen Arbeitgeber vereinbart, dass er einen monatlichen Beitragszuschuss für seine bereits seit langem bestehende Altersversorgung erhalten sollte. Zudem bestand die Vereinbarung, dass er deshalb von den Regelungen der betrieblichen Altersversorgung ausgenommen wird. Jahre später klagte der Arbeitnehmer dann darauf, dass ihm ab Rentenbeginn ein Anspruch aus der betrieblichen Altersversorgung zustehe. Denn seine einzelvertragliche Regelung sollte aus seiner Sicht unwirksam sein, da er nicht auf in einer Betriebsvereinbarung festgelegte Ansprüche verzichten konnte.

Das sah das Bundesarbeitsgericht allerdings etwas anders. Nach Ansicht der Richter können Arbeitnehmer, denen bereits einzelvertraglich eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wurde, vollständig von einem Versorgungssystem des Arbeitgebers ausgenommen werden, das auf einer Betriebsvereinbarung beruht. Das gilt aber nur dann, wenn die Betriebsparteien innerhalb des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums davon ausgehen können, dass diese Arbeitnehmer im Versorgungsfall typischerweise eine zumindest annähernd gleichwertige Versorgung erhalten.

Hinweis: Einzelne Arbeitnehmer können also von einem Betriebsrentensystem ausgeschlossen werden, wenn es für sie eine vergleichbare vertragliche Regelung gibt.


Quelle: BAG, Urt. v. 19.07.2016 - 3 AZR 134/15
zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 09/2016)

 

Verstoß gegen das Arbeitnehmerentsendegesetz: Eine generelle Verfallklausel ist bei Geltendmachung des Mindestentgeltanspruchs unwirksam

Verfallklauseln sind insbesondere bei Arbeitgebern sehr beliebt. Sie regeln, dass ein Arbeitnehmer, der eine bestimmte Frist verpasst, seinen entsprechenden Anspruch nicht mehr durchsetzen kann.

So auch in diesem Fall, in dem der Arbeitsvertrag einer Pflegekraft eine Verfallklausel enthielt, nach der beiderseitige Ansprüche binnen drei Monaten schriftlich geltend gemacht werden müssen. Bei Ablehnung könne dabei innerhalb weiterer drei Monate Klage eingereicht werden. Die Arbeitnehmerin war bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses für etwa einen Monat krankgeschrieben. Der Arbeitgeber glaubte ihr die Krankheit jedoch nicht und verweigerte deshalb die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Erst ein halbes Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses klagte die Arbeitnehmerin ihre Ansprüche ein. Der Arbeitgeber war seinerseits nun der Auffassung, die Ansprüche seien verfallen. Damit kam er aber nicht weiter.

Denn in diesem Fall gab es eine Besonderheit: Die vom Arbeitgeber verwendete Klausel im Arbeitsvertrag verstieß gegen § 9 Satz 3 des Arbeitnehmerentsendegesetzes. Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Mindestentgeltanspruchs sind demnach ausschließlich im Tarifvertrag oder in der Mindestlohnverordnung erlaubt. Deshalb war die Verfallklausel hier unwirksam. Die Arbeitnehmerin hat also ihr Geld noch erhalten.

Hinweis: Seit dem 01.10.2016 darf in Ausschlussfristen keine Schriftform mehr vorgeschrieben werden. Aufgrund einer neuen Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich die Textform zulässig. Was merkwürdig klingt, gewinnt durch die moderne Technik an Logik. Denn dieser kleine Unterschied bedeutet, dass Ansprüche auch per Fax, E-Mail oder SMS geltend gemacht werden können.


Quelle: BAG, Urt. v. 24.08.2016 - 5 AZR 703/15

zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 10/2016)

Zum Wohle (fast) aller: Berechtigte Kürzung der betrieblichen Witwenrente bei immensem Altersunterschied

Ehe- und Lebenspartner mit großem Altersunterschied sollten dieses Urteil kennen.

Ein Betriebsrentner, der mit einer 30 Jahre jüngeren Frau verheiratet war, verstarb. Die junge Witwe konnte nun Witwenrente beanspruchen. Das Problem: Nach der betrieblichen Pensionsordnung verminderte sich die Pension bei einem Altersunterschied von mehr als 15 Jahren um 5 % für jedes Jahr, das diese Grenze überstieg. Diese Regelung machte sich bei dem erheblichen Altersunterschied hier besonders rigoros bemerkbar: Die Rente wurde um satte 70 % gemindert.

Die Frau fühlte sich deshalb wegen ihres Alters diskriminiert und sah einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das Arbeitsgericht Köln bejahte diese Benachteiligung zwar, war allerdings gleichwohl der Auffassung, dass diese Benachteiligung durchaus  gerechtfertigt ist. Es liegt nämlich im Interesse aller Arbeitnehmer und insbesondere der künftigen Betriebsrentner, dass eine verlässliche Kalkulationsmöglichkeit besteht. Und diese Verlässlichkeit wiegt schwerer als die Benachteiligung aufgrund des ungewöhnlich großen Altersunterschieds.

Hinweis: Ist der Altersunterschied zwischen Ehepartnern sehr groß, darf der Arbeitgeber die betriebliche Witwenrente kürzen - zum Vorteil aller übrigen Betriebsrentner.


Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 20.07.2016 - 7 Ca 6880/15

zum Thema: Arbeitsrecht

(aus: Ausgabe 10/2016)

Zum Thema Familienrecht
Auskunftsscheue Tochter: Ein Vater ist nicht verpflichtet, ein Studium nach abgeschlossener Ausbildung zu finanzieren

Heutzutage dauert es immer länger, bis junge Menschen in das Berufsleben einsteigen. Insbesondere Abiturienten wissen oftmals bis zum Schulabschluss nicht, was sie überhaupt machen wollen. Gegebenenfalls können sie ihr Ziel über Umwegen erreichen. Was ist dabei vom Unterhaltspflichtigen zu finanzieren?

In einem nun vom Oberlandesgericht Frankfurt entschiedenen Fall ging es um einen Vater und seine Tochter, die kaum Kontakt miteinander hatten, als Letztere 2004 ihr Abitur machte. Die Durchschnittsnote lag bei 2,3. Der Vater meldete sich bei der Tochter und erkundigte sich unter anderem, was sie nun vorhabe, ohne eine Antwort zu erhalten. Die Tochter durchlief daraufhin von Februar 2005 bis Anfang 2008 eine Ausbildung zur anästhesietechnischen Assistentin und arbeitete dann auch in diesem Beruf. Nach durchgängiger Bewerbung seit dem Wintersemester 2004/2005 erhielt sie zum Wintersemester 2010/2011 einen Studienplatz im Fach Medizin und studiert seitdem dieses Fach.

Der nun auf Unterhalt in Anspruch genommene Vater weigerte sich, zu zahlen. Das Gericht gab ihm Recht. Es sei ihm nicht zumutbar, für seine Tochter zu zahlen. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass er sich nach dem Abitur bei seiner Tochter erkundigt hatte, wie es bei ihr nun weitergehe. Da sie ihm nicht geantwortet hatte, durfte er davon ausgehen, dass er keinen Unterhalt mehr für sie zu zahlen habe. Ferner hatte die Tochter nach Abschluss der Ausbildung zwei Jahre in dem von ihr erlernten Beruf gearbeitet und sich weiterhin nicht beim Vater gemeldet. Für ihn hatte sich damit das Vertrauen dahingehend entwickelt, dass die Tochter den Beruf weiterhin ausüben und keinem Studium nachgehen werde.

Hinweis: Der Vater tat gut daran, sich bei der Tochter nach ihrer beruflichen Zukunft bzw. ihren Plänen zu erkundigen. Diese war ihrerseits schlecht beraten, ihren Vater nicht wunschgemäß zu informieren, weder über ihre Pläne nach dem Abitur noch über jene nach Abschluss ihrer Ausbildung - ein folgenreicher Fehler.


Quelle: OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.07.2016 - 5 UF 370/15

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2016)

Ehegattenunterhalt: Auch Jahre nach der Scheidung kann erstmals Unterhalt verlangt werden

Normalerweise wird im Zuge der Scheidung geklärt, ob ein Ehegatte nach der Scheidung Unterhalt zahlen muss. Was, wenn dies nicht geschieht? Kann sich der potentiell Unterhaltspflichtige darauf verlassen, dass er damit aus der Unterhaltsverantwortung entlassen ist?

Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Koblenz (OLG) auseinandergesetzt. Im zugrundeliegenden Fall lag die Scheidung bereits zwölf Jahre zurück, als die Frau erstmals von ihrem geschiedenen Ehemann Unterhalt verlangte.

Allein der Umstand, dass die Frau zwölf Jahre lang keinen Unterhalt verlangte, bedeutet nach Ansicht des OLG jedoch nicht, dass nun kein Unterhalt mehr verlangt werden könne. Es käme vielmehr darauf an, ob der Frau seit der Scheidung ununterbrochen ein grundsätzlicher Unterhaltsanspruch zugestanden habe - selbst wenn er von ihr nicht geltend gemacht wurde. Damit folgt das Gericht dem Gesetz, das vorgibt, dass nach der Scheidung ein Unterhaltsanspruch von vornherein nur dann besteht, wenn besondere Umstände gegeben sind - wie etwa die Betreuung von minderjährigen Kindern oder alters- bzw. krankheitsbedingte Beeinträchtigungen. Zudem müssen diese besonderen Umstände ununterbrochen vorliegen. Steht zum Beispiel einem Ehepartner wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder Unterhalt zu, kann dieser später nicht automatisch Unterhalt verlangen, weil er inzwischen altersbedingt unzureichend versorgt ist. Denn hat er zum Beispiel nach der Kinderbetreuung gearbeitet und deshalb keinen Unterhalt mehr zugesprochen bekommen, ist der damit einmal entfallene Unterhaltsanspruch insgesamt entfallen.

Wer jahrelang keinen Unterhalt verlangt hat, muss zunächst nachweisen, dass ihm Unterhalt zugestanden hätte, selbst wenn er ihn nicht verlangt hat. Nur dann kann er Zahlungen verlangen. Diesen Nachweis zu führen, ist sehr schwer - der Frau in diesem Fall gelang es nicht.

Hinweis: Gelingt der Nachweis ausnahmsweise doch, kann der Unterhalt nur zukünftig verlangt werden, nicht aber für die Vergangenheit.
 
 

OLG Koblenz, Beschl. v. 19.02.2016 - 13 WF 22/16

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2016)

Elternunterhalt nach Pflichtverletzung: Durch elterlichen Drogenkonsum belastete Kindheit kann zur Zahlungsbefreiung führen

Es kommt immer häufiger vor, dass Kinder ihren Eltern Unterhalt zahlen müssen - vor allem, wenn die Eltern in einem Heim untergebracht werden müssen.

Zuerst stellt sich die Frage, inwieweit die Kinder unter Beachtung ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse überhaupt in Anspruch genommen werden können. In diesem Zusammenhang gelten bei der Berechnung des zu zahlenden Betrags viele Besonderheiten. Diese werden vom Träger der Sozialhilfe häufig erst einmal nicht gesehen oder nicht beachtet und führen bei korrekter Berücksichtigung zu einem deutlich niedrigeren Betrag als gefordert.

Ebenso ist zu prüfen, ob die Eltern, für die der Unterhalt gefordert wird, in der Vergangenheit ihrerseits die Unterhaltspflicht ihren Kindern gegenüber grob verletzt haben.

Wann eine solche Pflichtverletzung vorliegt, ist in der Praxis oft streitig. Das Amtsgericht Bremen hat eine solche Pflichtverletzung in einem Fall anerkannt, in dem der (später pflegebedürftige) Vater seinen Sohn zunächst zu sich nahm und betreute, Alkohol- und Drogenmissbrauch dann aber dazu führten, dass sogar der Sohn drogenabhängig wurde und als Kind in ein Heim kam. Da der Vater dem Sohn sogar mit Suizid drohte, wenn er nicht zu ihm zurückkehre, wurde sogar eine Kontaktsperre verhängt. Kontakte gab es keine mehr, der Sohn wurde glücklicherweise erfolgreich therapiert.

Das Gericht sah aufgrund dieser Vorgeschichte von einer Unterhaltspflicht des Sohns ab. Namhafte Kommentatoren der Entscheidung sehen diese jedoch kritisch. Da sich der Vater zunächst jahrelang um seinen Sohn gekümmert hatte, habe er seine Unterhaltspflicht nicht vollständig vernachlässigt, so die kritische Argumentation.

Hinweis: Beim Elternunterhalt ist es in erster Linie wichtig, auf die korrekte Berechnung des zu zahlenden Unterhalts zu achten. Dazu ist möglichst frühzeitig ein Profi hinzuzuziehen. Die Frage der groben Vernachlässigung der Unterhaltspflicht ist zusätzlich anzusprechen und ebenfalls von Bedeutung; nur sind die Prognosen in dieser Hinsicht nicht so leicht.


Quelle: AG Bremen, Beschl. v. 10.11.2015 - 64 F 2866/14 UV

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2016)

Nachscheidungsunterhalt: Die Unterhaltsbedarfsermittlung bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen bleibt schwierig

In den meisten Fällen wird der zu zahlende Unterhalt nach Quoten berechnet. Das bedeutet, dass ein bestimmter Prozentsatz des für das Leben zur Verfügung stehenden Einkommens als Unterhalt geschuldet ist. Bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen wird sich stattdessen auf den konkreten Bedarf berufen. Schwierig ist es dann, diesen konkret zu ermitteln.

Wann genau von "guten wirtschaftlichen Verhältnissen" auszugehen ist, bei denen der Unterhalt nicht mehr quotiert, sondern anhand des tatsächlichen individuellen konkreten Bedarfs zu bestimmen ist, ist in der Rechtsprechung nicht ganz klar. Vom Betrag her kann dies angenommen werden, wenn rein zum Leben und nach Abzug aller Schulden monatlich rund 5.100 EUR netto zur Verfügung stehen, bzw. dann, wenn nicht das gesamte Einkommen verbraucht, sondern ein Teil gespart und damit zur Vermögensbildung eingesetzt wird.

Den Bedarf, der zum eigenen Leben tatsächlich gebraucht wird, Position für Position nachweislich aufzulisten, ist schwer bis unmöglich. Schätzungen sind aber nur eingeschränkt zulässig. Geschätzt werden können u.a. die Kosten für Essen und Trinken, auch für Kleidung, Schmuck, Schuhe, Brille. Auch die Wohnkosten können geschätzt werden, denn diese sind unvermeidbar und somit nicht zu vernachlässigen. Kosten der Körperpflege fallen in jedem Fall auch an - dabei kann allerdings über die Höhe gestritten werden; einfache Produkte sind deutlich billiger als Luxusartikel.

Urlaubskosten stellen ebenfalls eine schwierige Position dar. Dazu ist es angebracht, wenn derjenige, der dafür Geld verlangt, Bezug nimmt auf die in dieser Hinsicht in der Vergangenheit erfolgten Ausgaben.

Hinweis: Die Geltendmachung eines konkreten Unterhaltsanspruchs bedeutet ein Verfahren mit einem hohen Streitpotential und ungewissem Ausgang. In einem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall verlangte eine Frau monatlich rund 6.400 EUR konkreten Unterhalt und wurde auf etwa 2.400 EUR heruntergestuft. Selten ist das Ergebnis einer Unterhaltsstreitigkeit so schlecht vorhersehbar wie in diesen Situationen.


Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 21.03.2016 - 4 UF 14/14

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2016)

Scheiden tut weh: Nur die zwangsläufig entstehenden Scheidungskosten sind steuerlich absetzbar

In den letzten Jahren ergaben sich Unsicherheiten, wie mit den Kosten eines Scheidungsverfahrens steuerrechtlich zu verfahren ist, so z.B., ob die Gerichts- und Anwaltskosten abgesetzt werden können oder ob sie steuerlich eher ohne Bedeutung sind.

Die Antwort richtet sich nach dem Einkommensteuergesetz. Danach sind außergewöhnliche Belastungen unter bestimmten Umständen steuerlich abzugsfähig. Außergewöhnliche Belastungen sind Kosten, die höher sind als bei der überwiegenden Mehrzahl jener Steuerpflichtigen mit gleichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie mit gleichem Familienstand. Unter diesem Aspekt sind Scheidungskosten durchaus als außergewöhnliche Belastungen anzusehen.

Jedoch ist zudem erforderlich, dass die Kosten zwangsläufig anfallen. Das ist nur dann der Fall, wenn sie sich nicht vermeiden lassen - genau hier liegt der Haken. Geschieden wird eine Ehe ausschließlich durch die gerichtliche Entscheidung. Mit der Scheidung wird zumindest in den allermeisten Fällen zwangsläufig auch der Versorgungsausgleich durchgeführt. Das ist gesetzlich so vorgesehen. Die damit verbundenen Kosten sind also unvermeidbar und können steuerlich geltend gemacht werden.

Die weiteren Problembereiche der familienrechtlichen Auseinandersetzung - also insbesondere die Bereiche Unterhalt und Güterrecht - sind nicht zwangsläufig streitig und gerichtlich zu klären. Dazu könnten sich die Ehegatten schließlich auch untereinander und sozusagen kostenfrei verständigen. Allein weil diese Möglichkeit besteht, sind die bei Streit entstehenden Kosten durch Anwälte und Gerichte also nicht zwangsläufig - und deshalb auch nicht steuerlich abzugsfähig.

Hinweis: Die Kosten, die mit einer Scheidung und den in diesem Zusammenhang anfallenden Klärungen anfallen, können also steuerlich abgesetzt werden, soweit sie zwangsläufig entstehen. Das sind zumindest die Kosten des reinen Scheidungsverfahrens. Es sollte nicht vergessen werden, diese bei der Steuererklärung auch geltend zu machen.


Quelle: BFH, Urt. v. 10.03.2016 - VI R 38/13

zum Thema: Familienrecht

(aus: Ausgabe 10/2016)

Zum Thema Sonstiges
Abbruchjäger bei eBay: Bundesgerichtshof schiebt Rechtsmissbrauch bei Onlineauktionen den Riegel vor

Die Rechtsprechung zur Verkaufsplattform eBay ist nun um eine wichtige Facette reicher.

Ein Verkäufer bot ein Motorrad auf eBay zum Startpreis von 1 EUR zum Verkauf an. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nahm das Angebot an und gab ein Maximalgebot von 1.124 EUR ab. Der Verkäufer brach die Auktion jedoch wegen falsch eingetragener Artikelmerkmale bereits am ersten Tag ab und stellte das Motorrad später mit korrigierten Angaben erneut ein. Erst sechs Monate später forderte die Gesellschaft den Verkäufer auf, ihr das Motorrad zum Preis von 1 EUR zu überlassen. Da es zwischenzeitlich jedoch an jemand anders verkauft worden war, verlangte die Gesellschaft den Wert des Motorrads von 4.900 EUR. Noch vor der Zustellung der Klage wurde die Forderung an den Verwalter der Gesellschaft unentgeltlich abgetreten.

Das Gericht hat die Klage abgewiesen, da die Forderung rechtsmissbräuchlich war. Der Verwalter der Gesellschaft habe als sogenannter Abbruchjäger vor allem das Ziel verfolgt, im Fall eines vorzeitigen Auktionsabbruchs Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Allein im Sommer 2011 habe er bei eBay Gebote von insgesamt 215.000 EUR abgegeben. Dann habe er - jedes Mal unter Beantragung von Prozesskostenhilfe - vier Gerichtsverfahren eingeleitet. Zudem habe er mit der Geltendmachung von Forderungen mehr als ein halbes Jahr gewartet - mit der durchaus naheliegenden Erwartung, dass die Ware zwischenzeitlich anderweitig verkauft wurde.

Im vorliegenden Fall war die Klage bereits mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen. Zwar kann auch der Verkäufer einer Forderung zur Vermeidung eigener Ersatzverpflichtungen ein eigenes berechtigtes Interesse daran haben, die abgetretene Forderung gerichtlich geltend zu machen. Hier wurden die Rechte aus dem eBay-Geschäft aber nicht verkauft, sondern unentgeltlich an den Verwalter der Gesellschaft übertragen.

Hinweis: Abbruchjäger verfolgen das Ziel, im Fall eines vorzeitigen Auktionsabbruchs Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Mit diesem Urteil ist nun klargestellt, dass ein solches Verhalten rechtsmissbräuchlich ist.


Quelle: BGH, Urt. v. 24.08.2016 - VIII ZR 182/15

zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2016)

Eltern aufgepasst! Der Übertrag von Elternzeit kann die Arbeitslosenversicherung kosten

Ein wichtiges Urteil, das alle Arbeitnehmer in Elternzeit kennen sollten.

Eine Arbeitnehmerin hatte nach der Geburt ihrer beiden Kinder jeweils ein Jahr der Elternzeit auf die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres der Kinder übertragen und kam dabei  insgesamt auf 14,5 Monate Elternzeit nach der besagten Altersgrenze des Nachwuchses. Danach war sie arbeitslos, weil sie im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt hatte. Als sie jedoch daraufhin Arbeitslosengeld beantragte, wurde ihr Antrag abgelehnt: Sie war während der 14,5 Monate nicht in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig und erfüllte daher die notwendige Mindestversicherungszeit nicht.

Ihre Klage gegen diese Entscheidung hatte keine Aussicht auf Erfolg. Nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit begründet keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung.

Hinweis: Die Elternzeit nach dem dritten Lebensjahr des Kindes kann also einen Anspruch auf das Arbeitslosengeld ausschließen. Das gilt es bei der Planung der Elternzeit unbedingt zu berücksichtigen!


Quelle: LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30.08.2016 - L 1 AL 61/14

zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2016)

Fehlende Gesetzgebungskompetenz: Bevorzugung weiblicher Beamtinnen bei der Beförderung ist verfassungswidrig

Ein Fehler des Gesetzgebers hat für tausende Beamte in Nordrhein-Westfalen (NRW) erhebliche Auswirkungen.

Mit einem Eilantrag wehrte sich ein Kriminaloberkommissar aus NRW gegen die bevorzugte Beförderung mehrerer Kriminaloberkommissarinnen. Die Beförderungen der Kolleginnen erfolgten wegen des neuen § 19 Abs. 6 Landesbeamtengesetz NRW. Danach sind Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern. Der Beamte fühlte sich übergangen. Und das Verwaltungsgericht (VG) gab ihm Recht.

Das VG urteilte, dass der neue Paragraph verfassungswidrig ist. Der Landesgesetzgeber hätte das Gesetz gar nicht erst erlassen dürfen. Außerdem hatte der Bundesgesetzgeber bereits in § 9 Beamtenstatusgesetz zementiert, dass Beförderungen unter anderem gerade ohne Rücksicht auf das Geschlecht vorzunehmen sind.

Hinweis: Es ist nachvollziehbar, dass männliche Beamte sich durch das Gesetz zurückgesetzt fühlen. Es bleibt spannend, ob die nächste Bundesregierung das Bundesgesetz entsprechend ändern wird.


Quelle: VG Düsseldorf, Urt. v. 05.09.2016 - 2 L 2866/16

zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2016)

Klärung des Rentenkontos: Die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen muss auch für Ausbildungszeiten belegbar sein

Sein Rentenkonto frühzeitig zu klären, kann Jahrzehnte später eine Menge Ärger ersparen.

Ein Mann hatte von 1969 bis 1972 eine Ausbildung zum Raumausstatter absolviert, aber nicht abgeschlossen. Als er nun eine Altersrente beantragte, legte er für diese Zeiten als Beleg eine Bestätigung der Kreishandwerkerschaft über den Abschluss des Ausbildungsvertrags vor. Das reichte der Rentenversicherung allerdings nicht aus. Sie verlangte Belege, dass in dieser Zeit auch tatsächlich Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden waren. Ohne dieser Aufforderung nachzukommen, klagte der Mann gegen die Rentenversicherung - vergeblich.

Auch das Sozialgericht war der Auffassung, dass der Mann nicht ohne weiteres einen Anspruch auf Anerkennung der Ausbildungszeiten hat. Wer durch die Anrechnung der Ausbildungszeit früher in Rente gehen möchte, muss im Zweifelsfall belegen, dass währenddessen auch tatsächlich Rentenbeiträge gezahlt worden sind. Die Erbringung dieses Nachweises ist laut Gericht auch Jahrzehnte später noch durchaus zumutbar.

Hinweis: Durch eine frühzeitige Klärung können solche Streitigkeiten vermieden werden. Rentenkonten sollten nicht erst kurz vor der Rente geklärt werden.


Quelle: SG Mainz, Urt. v. 17.06.2016 - S 10 R 511/14

zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2016)

Unzulässige Bannerwerbung: Ein Unternehmen mit lokal begrenztem Angebot darf nicht bundesweit werben

Wirbt ein Unternehmen mit nur lokal verfügbaren Angeboten, die dank moderner Technik nur in geringem Maße überregional einsehbar sind, täuscht es somit dennoch die Verbraucher.

Dieses Urteil wird viele Gewerbetreibende betreffen: Zwei Unternehmen standen beim Angebot von Internetanschlüssen in direktem Wettbewerb zueinander. Allerdings bot das eine Unternehmen seine Dienstleistungen bundesweit an, das andere nur regional begrenzt auf Baden-Württemberg. Das bundesweit tätige Unternehmen klagte nun gegen die sogenannte Bannerwerbung des regional tätigen Unternehmens im Internet. Denn die Bannerwerbung konnte auch außerhalb von Baden-Württemberg und damit außerhalb des Gebiets aufgerufen werden, in dem Internetanschlüsse verfügbar waren.

Das regional tätige Unternehmen macht geltend, die beanstandete Internetwerbung sei durch die Geo-Targeting-Technik für Aufrufe außerhalb Baden-Württembergs gesperrt gewesen. Dabei sei allenfalls mit einem Streuverlust von 5 % zu rechnen - also einer äußerst geringen Aufrufbarkeit außerhalb des eigenen Netzgebiets. Dieses Argument reichte dem Bundesgerichtshof jedoch nicht aus.

Die Werbung war wettbewerbswidrig und dem bundesweit tätigen Unternehmen stand ein Unterlassungsanspruch zu. Solange die Bannerwerbung außerhalb des Vertriebsgebiets selbst nur in geringer Quote abrufbar sei, ist sie zur Täuschung der Verbraucher über die räumliche Verfügbarkeit der Dienstleistungen geeignet.

Hinweis: Nach diesem Urteil lohnt es sich für Betriebe, genau zu überprüfen, ob auch sie betroffen sein könnten.


Quelle: BGH, Urt. v. 28.04.2016 - I ZR 23/15

zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 10/2016)

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